Corona fordert auch die heimischen Winzer. Wie kann der Weg aus der Krise aussehen?

Corona fordert auch die heimischen Winzer. Wie ein Weg aus der Krise aussehen kann, weiß Matthias Marchesani (MM) vom Weingut Dürnberg. Interview geführt hat Andreas Hamedinger (AH).

AH: Die Gastronomie hat seit Monaten geschlossen. Wie sehr trifft sie diese Tatsache?

MM: Das tut natürlich schon sehr weh, geschäftlich konnten wir das aber aufgrund steigender Nachfrage von Privatkunden mehr als wett machen. Das ist jetzt „jammern“ auf hohem Niveau, weil ohne Lockdown wären die Zahlen wahrscheinlich durch die Decke gegangen…

AH: Können Sie das in Zahlen fassen?

MM: Diese Beurteilung fällt mir schwer, weil zu 95 Prozent unsere Großhandelspartner die Dürnberg-Weine an die Gastronomie liefern, wobei unsere Großhandelspartner auch Fachhändler/Endverbraucher beliefern. Dank zusätzlichem Umsatz durch Neukunden konnten wir sogar einen Zuwachs nicht verhindern.

AH: Bleiben deswegen die Keller voll? Aus Italien und Spanien hört man etwa, dass Wein weggeschüttet wird oder zu anderen Produkten verarbeitet wird? Ist das auch ein denkbarer Weg für Sie?

MM: Der eine oder andere Keller ist sicher noch zu gut gefüllt, was man so hört. Unserer ist zum Glück sehr gut geleert und somit stellt sich das Problem nicht.

AH: Bleiben wir bei Fakten. Trifft der Wegfall der Gastronomie eher das höher wertige Sortiment oder die günstigeren Weine? Wie sieht das beim Endkonsumenten aus?

MM: Das ist schwierig zu beurteilen. Natürlich sind unsere Einstiegsweine die Top-Seller in der Gastronomie bezugnehmend auf glasweisen Verkauf, aber andererseits hat die Nachfrage von Privatkunden für Premium-Weine stark zugenommen. Am Ende des Tages würde ich das als ausgeglichen beurteilen.

AH: Bei vielen Winzern boomt der Online-Handel? Wie sieht das bei Ihnen aus?

MM: Wir haben unseren online-shop bereits 2010 gestartet und betreiben den sehr aktiv und professionell. Im Jahr 2020 konnten wir das bereits auf hohem Niveau befindliche online-Geschäft nochmals verdoppeln.

AH: Ihre Weine findet man unter anderem in Deutschland und Kanada. Welche Dinge sind auf diesem Märkten zu beachten? Welche Weine sind dort besonders beliebt?

MM: In Kanada ist der Verkauf von Wein, Bier und Spirituosen an Endverbraucher über staatliche Monopole geregelt, wobei es in jeder Provinz ein eigenes Monopol gibt. Somit sind das 13 Exportmärkte. Der Weineinkauf der Monopole erfolgt über Ausschreibungen. Weinhändler/Agenturen dürfen Wein auch an Restaurants verkaufen, aber auch hier läuft der Einkauf über die jeweiligen Provinz-Monopole. Wer jetzt meint, das klingt kompliziert, hat vollkommen Recht!

Bis dato waren wir nur in Ontario vertreten, das sich weinmäßig ziemlich stark am Weinkonsum der US-Ostküste orientiert. Aber nächste Woche erfolgt der erste Versand nach Montreal, Provinz Quebec, hier sind starke europäische/französische Einflüsse spürbar, die Leute sind offener für Spezialitäten aus „good old europe“. Ebenso absehbar ist ein kurzfristiger Start in British Columbia an der Westküste und in der Provinz „Prince Edward Islands“, beide inspiriert durch die bereits bestehenden Verkäufe in Ontario. Der Fokus liegt hier klar auf Grüner Veltliner, aber man ist auch offen für Rosé und Rotwein aus klassischen österreichischen Rebsorten.

Der deutsche Markt ist sehr vielseitig…einerseits ist ein Interessens-Schwerpunkt in Süddeutschland, andererseits haben wir auch sehr gutes Geschäft in Nordrhein-Westphalen und in Berlin-Umgebung. In Norddeutschland, abgesehen vom Highlight „Sylt“, und in Ostdeutschland ist noch einiges an Überzeugungsarbeit zu tun. Viele Leute realisieren nicht, dass es den Grüner Veltliner in vielen Spielarten gibt (von leicht-spritzig bis zu sehr gehaltvoll), eigentlich vergleichbar mit deutschem Riesling. Von den Rebsorten ist der Markt flexibler, wenn auch hier der Schwerpunkt auf Grüner Veltliner liegt, gefolgt von Zweigelt. Aroma-Rebsorten, Rosé und Weissburgunder erfreuen sich auch reger Nachfrage.

AH: Stimmt es, dass sie auch in Australien und Israel Fuß fassen möchten? Wie sind ihre Pläne diesbezüglich?

MM: Wir streuen ständig neue Samen und es freut uns, dass vor allem in den letzten zwei Jahren sehr viele davon keimen. Wir reden hier von vorausschauender Arbeit, deren Lohn wir oft erst nach drei, viere oder mehr Jahren ernten. Ja, es gibt durchwegs positive Zeichen, dass wir noch im April mit einem bedeutenden Partner in Israel starten werden und demnächst auch in Australien richtig Fuß fassen werden. Zur Bearbeitung solcher Märkte braucht es wirklich einiges an Ausdauer zur Überwindung bürokratischer Hürden, Fingerspitzengefühl, und Erfahrung. Aber das macht es ja erst interessant! Und da gibt es noch mehrere weiße Flecken auf unserer Exportkarte, die wir füllen wollen!

AH: Provokant gefragt: Warum soll ich als Deutscher oder Australier österreichischen Wein trinken? In meinem Land gibt es doch Weine für jeden Geschmack….

MM: Provokante Frage, einfache Antwort: Grüner Veltliner gibt es quasi nur aus Österreich und einer der Hauptgründe für den weltweiten Erfolg dieser Rebsorte liegt in seiner genialen, anpassungsfähigen Weinbegleitung, die ihm einen einzigarten Charakter verleiht. Ein wahrhaftig geschmacklicher USP!

AH: Um umgekehrt: Der Trend geht zur ‚Regionalität. Soll ich als heimischer Genießer zu Napa Valley, Mosel oder Soave greifen?

JMM: a, auf jeden Fall! Auch wir sind ununterbrochen an neuen, und vor allem autochthonen Weinen interessiert, das belebt die Vielfalt und fördert einen Weitblick, was so los ist in der weiten Welt des Weines!

 

Kontakt:

www.duernberg.at

[Fotoquelle Beitragsfoto: Weingut Dürnberg]

"Die Welt gehört dem, der sie genießt."

- Leopardi
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